Fotos von Mandalay hier.
Hier also der erste Teil unseres Myanmar-Reiseberichts… etwas ausführlich:
Allgemein
-In Myanmar hat es keine Bankomate… unser ganzes Geld haben wir in China in Dollar abgehoben: “Crisp notes” mussten es ein. Wenn ein Schein auch nur einen Knick hat, wird er nicht angenommen. Die Dollar wechseln wir jeweils bei Hotels, bei Juwelieren, auf der Strasse… immer dann, wenn wir einen guten Kurs kriegen. Einfach nie in den Banken, da diese immer den schlechtesten Kurs aufweisen.
-Internet: Man findet zwar Internet Cafes (vor allem in Grossstädten), muss sich aber mit Speed wie zu Dial-up-Zeiten zufrieden geben. Internet-Verbindungen sind auch sehr teuer: Über 1000 Dollar Installationsgebühr und dann 120 Dollar pro Monat seien normal. Unerschwinglich für den Normalbürger.
-Stromausfälle: Total normal, manchmal 10-20 Mal pro Tag. Das Summen der Generatoren im Hintergrund ist üblich. Frühabends (so ab 18.00 Uhr) ist es meist schon stockdunkel. Manchmal gingen wir dann eben schon schlafen…
Abenteuerliche Einreise am 15. Dezember von Ruili, China aus mit Guide “John” (alle Burmesen haben sowohl einen englischen und einen burmesischen Vornamen) und Fahrer. Ganze drei Grenzposten passieren wir. Jedesmal werden Papiere kontrolliert, irgendwelche neuen Papiere ausgestellt, lange Konversationen geführt, Nettigkeiten ausgetauscht. Dann gehts jeweils weiter durch wunderschön grüne und unberührte Landschaften. Eine sehr holprige Angelegenheit, da die meisten Strassen ungeteert sind. Mehrfach halten wir an; einmal wegen überhitzter Bremsen, ein weiteres Mal weil die in der Autohaube mitgeschmuggelten Hemden unter unseren Sitzen verstaut werden müssen. Nach Ankunft in Lashio gehts mit Bus weiter nach Hsipaw in der nördlichen Shan Provinz. Der erste Eindruck ist positiv: überall sind die Leute freundlich und zuvorkommend.
Am Tag nach unserer Anreise brechen wir frühmorgens zusammen mit Hanno (aus München) und Celia & Gael (aus Delémont) auf, um kleine Dörfer in den Shan-Hügeln zu erkunden. Auf chinesischen 125cc-Motorrädern rattern wir auf “dirt roads” umher, bleiben mehrfach stecken, fallen ein paar Mal hin und werden sehr, sehr dreckig. Um die Mittagszeit sind wir in einem kleinen Dorf der “Pelong”, wo wir per Zufall zum Essen eingeladen werden und in den Genuss lokaler Kost kommen. Unter anderem gibt es ein ziemlich bitteres (aber gutes) Gericht, welches aus Baumrinde besteht. Dann geht es weiter durch kleine Dörfer, vorbei an etlichen Teeplantagen und Sesamfeldern. Überall treffen wir auf viele Kinder und streunende Hunde. Abends kommen wir komplett erschöpft aber glücklich in unserem Guest House an.
Tags darauf stehen wir wieder früh auf, um auf dem lokalen Markt “Thin-baw-dee” (Papaya) zu suchen, welche wir so lieben. Finden leider keine, aber kaufen uns “Thanaka”-Paste. “Thanaka” ist eine Paste, eine Mischung aus geriebener Rinde des Thanaka-baumes (ähnlich wie Sandelholz) und Wasser, welche die meisten Frauen als Sonnenschutz und Hautcreme tragen. Wirkt kühlend und ist sehr angenehm. Vormittags wandern wir mit einer kleinen Gruppe zu einem nahegelegenen Wasserfall und geniessen dort ein Picknick bestehend aus burmesischem “street food”: Samosa-ähnliche, frittierte Bällchen, sehr lecker.
Spätnachmittags mieten wir Fahrräder und fahren zum Shan-Palast, dem Haus des letzten Shanprinzen, der nach dem Militärputsch “verschwand”. Dieser wurde bekannt, weil er in Colorado studierte und in seinem Land Reformen einführen wollte, und weil er eine Österreicherin heiratete (sie schrieb ein tolles Buch über ihre Jahre an seiner Seite). Sein Neffe “Donald” und dessen Familie wohnten nach dem Putsch im alten Palast (einer schönen Villa) und empfingen Fremde aus aller Welt, bis das Militär auch ihn als Bedrohung empfand und ihn vor sieben Jahren zu lebenslanger Haft verurteilte (seine Frau erklärte uns ihr Ehemann “likes to talk and tell the truth”). Nun weilt er in Mandalay im Hochsicherheitstrakt, während “Fern” (die Ehefrau, eine charismatische Lady, welche wohl etwa 70 Jahre alt ist) mit ihren Grosskindern das Haus bewohnt. Etwa eine Stunde weilten wir bei ihr und fragten ihr Löcher in den Bauch über alles Mögliche. Ein unvergessliches Erlebnis!
Nach ein paar Tagen in Hsipaw reisten wir mit dem Zug weiter nach Pyin Oo Lwin, einer kleinen Stadt berühmt für seinen botanischen Garten. Der Zug fährt maximal 20 km/h, die holprigste Fahrt unseres Lebens! Unser Abteil teilen wir uns mit einem Mann in Militäruniform und dessen Sohn. Unterwegs schenken uns die beiden in Honig geröstete Sonnenblumenkerne, vielfach starren uns die Leute an, aber alle sind unglaublich freundlich. An allen Haltestellen kommen Verkäuferinnen mit Speisen in grossen Koerben auf ihren Köpfen vorbei, gefüllt mit Früchten, Nudeln, Wachteleiern. Eine Verkäuferin setzt sich für die Weiterfahrt zu uns und versucht, mir Burmesisch beizubringen. Viel einfacher als Chinesisch ist es jedenfalls!
Der botanische Garten ist für uns eher enttäuschend (hätten wir uns denken können, den Gärten in Hawaii wird keiner gerecht). Von den 1200 Orchideensorten die ausgestellt sind blühen vielleicht gerade mal sechs. Am Nachmittag fahren wir per “Pick-up” (einem zum Bus umgebauten Truck, hintere Ladefläche mit Holzbänken ausgestattet) weiter nach Mandalay, wo wir das Kloster aufsuchen, aufgrund dessen wir nach Myanmar gereist sind. Dort treffen wir den Hauptmönch “U Nayaka” und erkundigen uns, ob er Arbeit für uns hat.
Spontan wird Phil zum IT-Department geführt, während mir eine Geschichts- sowie drei Englischklassen zugeteilt werden. Im “Paung Daw Oo”-Kloster gehen täglich 7000 Schüler kostenlos zur Schule (staatliche Schulen kosten etwa 7000 khyat/Monat, was bei einem jährlichen Durschnittseinkommen von 30000 Khyat sehr viel ist). Die Schule stellt uns Fahrräder zur Verfügung (früher durften Freiwillige auch auf dem Campus leben, aber das ist verboten worden) und wir radeln zurück zu unserem Guest House und überlegen uns, was wir unterrichten sollen.
An unserem letzten Tag vor Beginn unserer Freiwilligenarbeit unternehmen wir einen Tagesausflug mit gemietetem Taxi zu den “ancient cities” Inwa und Amarapura. Unser Fahrer “Mau Mau”, ein ca. 40-jähriger Burmese mit roten Zähnen (vom Kauen der hierzulande sehr beliebten Betel), erzählt uns, dass er einen Universitätsabschluss in Mathematik hat und dass seine Frau ihn zwingt im Taxi zu schlafen, wenn er kein Geld nach Hause bringt. Auf dem Weg zu den alten Städten besuchen wir eine kleine Blattgoldfabrik und eine Weberei. In Myanmar tragen Frauen und Männer noch grösstenteils den traditionellen “loungji”, einen Wickelrock. In Inwa mieten wir uns eine Pferdekutsche und lassen uns zu den verschiedenen Tempeln und Pagoden fahren, in Amarapura bestaunen und überqueren wir eine unglaublich lange Brücke aus Teakholz. Auf der anderen Seite werden gerade Mönchnovizen gefeiert mit einer komischen Prozession, welche an die Street Parade in Zürich erinnert. Technomusik, als Frauen verkleidete Männer, wilde Tänze, und kostenloses Essen. Nach unser Tour mit “Mau Mau” gehen wir Geld wechseln und kriegen für USD 200 eine Viertelmillion Khyat, was herrlich für unser Finanzego ist.
Einen Tag später fängt die Arbeit an: Phils Arbeitsplatz ist ein gekühlter Serverraum, während ich in überfüllten Klassenräumen in der Hitze Englisch und Geschichte unterrichte. Bei Phil besteht das Problem darin, dass in Myanmar 10-20 Elektrizitätsausfälle PRO TAG die Norm sind, bei mir ist die entscheidende Frage, was ich in einer Woche beibringen kann und soll. In der Geschichtsklasse frage ich nach schon Gelerntem, und hake bei anderen Lehrern nach Lehrplan nach. Hier muss man verstehen, dass die Lehrer sehr selten als solche ausgebildet sind: Die meisten sind ehemalige Schüler, welche eben abgeschlossen haben, also zwischen 18 und 22 Jahre alt sind. Nach einer langen Konversation sagt man mir, dass die Schüler sowohl den 1. als auch den 2. Weltkrieg behandelt haben, aber angeblich nur oberflächlich. Das ist immerhin etwas!
Ich marschiere in den Klassenraum und frage die Schüler mal ganz grob nach ihrem Wissen. Bei Nennung des 1. Weltkrieges schütteln sie den Kopf und sagen, dass dieser langweilig war. Vom 2. Weltkrieg wissen sie, dass Deutschland verlor und dass Hitler der “Leader” war. Der Holocaust ist ihnen kein Begriff und Hitler -erklären sie mir- sei ein “good, strong leader” gewesen. Ich frage nach einer Gruppe von Leuten die Hitler nicht mochte und erhalte keine Antwort. Konzentrationslager? Noch nie gehört. Wo soll ich nun also anfangen mit dem Unterricht? Ich entscheide mich für eine”Introduction to the British Empire”, hat das doch direkten Einfluss auf ihr Leben gehabt.
In der Geschichtsstunde tags darauf machen wir uns mit den Ländern des ehemaligen “Empires” vertraut. Meine Schüler sind neugierig und scheinen interessiert an der Besprechung dieses Grossreichs. Ich gebe ein bisschen Basiswissen durch und erfreue mich daran, dass meine Schüler die ganze Stunde über bei der Sache bleiben. Meine erste Englischklasse gleich danach ist dafür ein kleines Desaster: die Kleinsten sind 4 Jahre alt, da sind 45 Minuten Konzentration einfach unmöglich. Ich versuche mein Bestes, bin aber fix und fertig nach der Stunde. Phil wirkt in der Zwischenzeit bereits erste Wunder in der IT: Firewall, Proxyserver und Webcontent-Filter, DHCP etc. werden installiert, bei meinem Besuch in seinem Office stehen etwa 10 der 15 IT-Leute um ihn und schauen jedem seiner Keystrokes zu. Er kriegt auch fast stündlich eine Cola geschenkt.
Den ersten Samstag in Mandalay verbringen wir arbeitend im Kloster; Phil macht ein paar Installationen, während ich mir einen Plan für die bevorstehende Woche mache. Nachmittags sind wir an eine burmesische Hochzeit eingeladen; eine der Lehrerinnen heiratet. In traditionellen Wickelröcken machen wir uns auf zu der “wedding hall”, wo wir in einem Saal mit etlichen Festbänken mit Kuchen und Glacé verwöhnt werden, während das Brautpaar von Gast zu Gast geht und mit jedem ein Photo macht. Die Handhabung der Geschenke ist besonders spannend: Beim Eingang des Saals sitzen an beiden Seiten an Tischen je zwei Frauen und nehmen die Geschenke entgegen. In einem Buch wird sorgfältig dokumentiert wer, was (oder wieviel) wann geschenkt hat… unsere 10 Dollar werden fein säuberlich eingetragen und verschwinden in der Kasse. Von einem anderen Gast erfahren wir, dass sich ein Brautpaar (welches wir nur kurz begrüssen und dann nie wieder sehen) via Chatroom kennengelernt hat und dass dies zurzeit üblich ist. Abends geniessen wir zusammen mit zwei Freunden aus Belgien “Chapatis” von einem Strassenstand und testen den “Grand Royal” Myanmar Whiskey. Der ist übrigens erstaunlich gut, überreschenderweise, auf alle Fälle Welten besser als der chinesische Schnaps.
Am Montag radeln wir mit den vom Kloster ausgeliehenen Fahrrädern frühmorgens wieder zur Arbeit (auch in Myanmar hat es -wie in China- viele Leute, welche das Fahrrad als Fortbewegungsmittel nutzen, und ähnlich wenige Regeln) und geniessen einen weiteren produktiven Tag. Bei Ankunft im Klassenzimmer finde ich allesamt auf dem Boden kauernd betend vor. Ein morgendliches Ritual. Wie auch, dass sie bei Ankunft des Lehrers aufstehen und unisono sagen “Good Morning, Teacher”. Nach der Stunde stehen sie nochmals auf und verkünden: “Thank you, teacher. For teaching us, may you be happy and healthy and have a nice day”. In dem Moment will ich nie von Mandalay weggehen.
Vor allem Geschichte unterrichten ist toll: Wir besprechen die Vor- und Nachteile der Burmesen als Teil eines “Empires” und ich versuche den Schülern beizubringen, dass eine Meinung weder richtig noch falsch sein kann und dass es darauf ankommt sich einigen zu können. Wie in China scheinen sie sehr darauf erpicht, das “Richtige” zu sagen. Der Hauptmönch hat mir in einem kurzen Gespräch erklärt er möchte “critical thinking” vorantreiben und genau das versuche ich.
Im Verlauf der zweiten Woche werde ich angefragt, ob ich auch noch ein paar private Englischstunden geben könnte. Ich willige ein und werde abends zu einem anderen nahegelegenen Kloster gebracht, wo ich zwei Moenchen ein wenig Englisch beibringe. Lange sprechen wir über den mir sehr sympathischen Theravada Buddhismus. Im Anschluss erzählen sie mir von ihrem täglichen Leben. Ein Mönch in Myanmar darf nur zwei Mahlzeiten pro Tag zu sich nehmen, nachmittags dürfen sie nichts mehr essen. Frühmorgens gehen sie jeweils auf die Strasse und bitten um Almosen (Essen oder Geld), studieren die “Pali”-Schriften (Pali ist die Sprache von Buddha) und besprechen untereinander das neu Gelernte. Nachmittags -und hier wird es lustig- hören sie Musik (ihre CD-Sammlung umfasst Britney Spears und Christina Aguilera), schauen Filme (meine beiden neuen Freunde bevorzugten Actionfilme) oder Sportsendungen. Am liebsten haben sie die Champions Leage, erklären sie mir. Als ich ihnen sage, dass ich aus der Schweiz komme schreien sie wie aus einem Munde “Senderos!” und gleich darauf “Federer!”. Zudem spielen sie beide Fussball und manchmal auch Golf. Das Leben der Mönche hier scheint ganz nett zu sein.
Das zweite Wochenende verbringen wir mit anderen Leuten aus dem Kloster. Zusammen mit ein paar anderen Schülerinnen, Louisa aus Deutschland (welche für mehrere Monate im Kloster in der Näherei Kurse leitet) und ihren Freunden aus Berlin geniessen wir eine Schiffahrt auf dem Ayarwaddy nach Mingon, einer Stadt etwa eine Stunde flussabwärts. Dort besuchen wir eine Pagode, sehen die zweitgrösste Glocke der Welt und geniessen ein Mittagessen bei der Mutter einer Schülerin.
An meinem letzten Unterrichtstag weiche ich ab von meinem Lehrplan und bespreche amerikanische Kolonien und wie und weshalb diese ihre Freiheit erlangten. Die Rede ist von Revolution, Unabhängigkeit und jemand erwähnt Indien. Ich weiss ich muss ein wenig aufpassen, aber Indien ist ja nicht Burma und deshalb spreche ich das Thema an und erwähne Gandhi. Beim Namen sehe ich ihre Augen aufleuchten, weshalb ich nach Vorwissen frage. Meine Schüler blättern in ihren offiziellen Geschichtsbüchern und schreien dann alle durcheinander “Slapstick Artist, Gandhi was a slapstick artist”. Das bringt mich zum Lachen, bis ich das Wort in ihrem Geschichtsbuch im Wörterbuch finde. In Burma lernen die Schüler tatsächlich, dass Gandhi ein Komiker war.
Zum Abschied spiele ich mit jeder Klasse. Ich erhalte etliche kleine Geschenke und Umarmungen an diesem Tag. Meine chaotische Englischklasse lade ich in den Zoo ein: Etwa 20 jubelnde Kinder, welche sich an den sehr, sehr traurigen Tieren erfreuen. Elefanten an allen Vieren angekettet, Äffchen in Menschenkleidern, keine gute Käfighaltung, und schlecht ausgebildetes Personal… aber mehr kann man wohl auch gar nicht erwarten. Eines der Kinder stopft zu viele Süssigkeiten in sich rein, übergibt sich, und rennt dann aber gleich weiter um nichts zu verpassen. Allgemein herrscht ein kleines Chaos.
An unserem letzten Abend in Mandalay sind wir an die Geburtstagsparty eines Mädchens eingeladen, welche ihren 21. Geburtstag feiert. Tee, Kuchen, und Nudeln werden serviert. Alkoholfrei ist es natürlich, denn Frauen in Myanmar trinken gar nicht oder nur wenig. Von allen Mädchen die ich kennenlerne sind alle erstaunt darüber, dass ich schon einmal ein Bier getrunken habe. Das Fest wird feiern wir mehrheitlich im Dunkeln: Elektrizitaetsausfälle! Am Abend vor unserer Abreise habe ich aus unerklärlichen Gruenden plötzlich hohes Fieber. Phil kümmert sich um mich und holt mir eine riesige Papaya (die Mutter aller Papayas) und viel Wasser.
Hallo ihr Zwei! (bzw. ihr Vier 😉
Unglaublich was ihr alles erlebt auf euren Reisen. Habe vorallem eure Burmesischen Tage verschlungen und
Liebe Amelia, hallo Phil,
bin erst heute dazu gekommen, Eure Seite zu lesen. Super!